Kostenlose Probestunde – ja oder nein?
Musikunterricht ist etwas sehr Persönliches – Der Schüler investiert eine Menge Geld und Zeit und möchte natürlich sicher sein, dass es ihm etwas bringt. Außerdem muss er wissen, ob er mit dem Lehrer „warm“ wird und das Gefühl haben, sich auch menschlich gut aufgehoben zu fühlen. Ein positives Unterrichtsklima ist für alle Beteiligten von Vorteil.
Sieh es mal so – es kann ja auch mal sein, dass Du selber merkst, dass ein Schüler bei einem anderen Lehrer besser aufgehoben wäre.
Menschen investieren sehr ungern in ungewisse Dinge, also ist die kostenlose Probestunde optimal, um das „Eis zu brechen“.
Leider gibt es immer mehr Scharlatane, die diese Möglichkeit mißbrauchen. Es scheint so, dass je größer die Stadt, desto häufiger kommt dies vor.
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Probestunde kostenpflichtig zu machen, und entweder einen Discount anzubieten oder die Probestunde nachher zu verrechnen. Ich habe sehr positives Feedback von Kollegen bekommen, die dieses Konzept mit Erfolg anbieten. Dies wirkt auch der Misere entgegen, dass es immer „selbstverständlicher“ wird, alles was mit Musik zu tun hat kostenlos zu bekommen.
Ich selber habe mit der kostenlosen Probestunde gute Erfahrungen gemacht – allerdings arbeite ich im hochpreisigen segment, welches zum Glück eh sehr weniger der „Probestundenschnorrer“ anzieht.
Vorbereitung
Je nachdem, wie der Kontakt mit dem Interessenten zustande gekommen ist, solltest Du einige Dinge über ihn vor der Probestunde in Erfahrung bringen. Welche Musik mag er, gibt es für ihn einen „Hero“, also einen Musiker, den er besonders bewundert? Ich frage so etwas in der ersten Antwort-Email ab, die ich auf eine Kontaktanfrage durch meine Website schreibe. Es gilt auch einen Termin zu finden, der dann die Chance hat, zu einem festen Termin zu werden. Wenn Du z.B. am Wochenende nicht unterrichtest, der Schüler aber nur dann Zeit hat, ist die Probstunde unsinnig und Du schickst den Schüler lieber direkt zu einem Lehrer, der auch am Wochenende unterrichtet.
Wenn Du den „Hero“ oder die bevorzugte Stilistik des Interessenten herausgefunden hast, beschäftige Dich damit. Höre Dir ein paar Songs an (am besten die populärsten) – vielleicht findest Du auch ohne großen Aufwand ein Stück, dass Du ihm eventuell in der Probestunde schon beibringen kannst. Nichts erhöht die Chance auf einen festen Schüler mehr!
Durchführung
Stelle sicher, dass die Probestunde zum vereinbarten Termin auch wirklich stattfinden kann. Wenn möglich, erinnere den Interessenten einen Tag vorher freundlich an den Termin, schicke ihm nochmal eine Wegbeschreibung und gib ihm Deine Handynummer, sollte er es nicht finden. Solltest Du mehrere Schüler vorher haben, achte darauf, dass Du nicht überziehst und die Stunde pünktlich anfängt. Viele Menschen legen darauf sehr viel wert!
Achte ganz besonders darauf, dass Du niemanden „zulaberst“! Der Schüler sollte zu mindestens 50% zu Wort kommen und vor allem schon auf dem Instrument spielen.
Andererseits solltest Du Dich nicht von zu vielen Fragen ablenken lassen, sondern darauf achten, dass der Schüler mit dem Gefühl, etwas gelernt zu haben, und der Perspektive, noch mehr zu lernen, aus der Stunde geht. Er soll das Gefühl haben, gut bei Dir aufgehoben zu sein.
Plane am Schluss der Stunde 5 Minuten ein, um die Vertragsbedingungen und die Unterrichtsgebühr zu besprechen.
Nach der Probestunde
Eine gute Nachbereitung ist wichtig! Du solltest ein Protokoll über jede Probestunde schreiben (das muss kein Roman sein). Dadurch kannst Du diese weiter verbessern. Es gibt schließlich kaum etwas Wichtigeres, um einen guten Schülerstamm aufzubauen. Der erste persönlich Eindruck zählt und Du solltest Dich hier im bestmöglichen Licht zeigen.
Schreibe dem Interessenten nach der Probestunde eine kurze Email, in der Du auf die in der Stunde besprochenen Punkte eingehst. Falls Du gut organisiert bist, hast Du eventuell Unterrichtsmaterial auf Deiner Festplatte, welches für ihn interessant ist. Schicke eine Seite davon mit, um ihm zu zeigen, dass Du seine musikalische Entwicklung fördern willst.
Solltest Du in der Stunde noch keinen Unterrichtsvertrag ausgehändigt haben, schicke ihn per PDF mit – mit dem Angebot, bei Fragen jederzeit erreichbar zu sein.
Solltest Du auf diese Email 3-4 Tage keine Antwort bekommen und auch keinen Folgetermin ausgemacht haben, dann versuche den Schüler anzurufen und zu fragen, ob er noch Interesse hat. Wenn er Dir absagt, frage höflich, was ihm nicht gefallen hat – Du kannst so eventuell zukünftige Probestunden optimieren.
Gleich den Vertrag unterschreiben lassen?
Ich war einmal in einer „Fortbildung“ einer großen Musikschulkette, wo es einen ganzen Vormittag darum ging, wie man Probeschüler und deren Eltern dazu bewegt, noch in der Stunde einen Vertrag zu unterzeichnen.
Ich kann mit zwei Wörtern sagen, was ich von solch einem Verhalten halte: ÜBERHAUPT NICHTS!
Wenn der Schüler nicht gerne und freiwillig zu Dir kommt, dann ist es für ihn wie auch für Dich besser, wenn er gar nicht kommt.
Wer kommen will, der kommt auch – darum kümmerst Du Dich schließlich in der Nachbearbeitung und der Email, die Du direkt nach der Stunde rausschickst.
Du solltest in der Probestunde, wie oben beschrieben, die vertraglichen Angelegenheiten nur so kurz wie möglich anreißen – Der Schüler möchte schließlich nicht das Gefühl haben, dass es Dir nur um Geld geht. Was hoffentlich auch nicht so ist ?
Ich wünsche Dir viel Erfolg mit Deinen Probestunden. Falls Du wissen willst, wie Du viele Anfragen generieren kannst und einen guten Schülerstamm aufbaust, schau Dir meinen Kurs „Marketing für Musiklehrer“ an. 48 Seiten eBook mit Insiderwissen plus fast 3 Stunden Videotutorials (klick)
Julian Datta says
Vielen Dank. Ein guter Artikel mit interessanten Tips. Das meiste mache ich schon so, aber ein oder zwei Ideen kann ich integrieren.
Nur eine Sache: Ich habe vor zwei Jahren aufgehört, kostenlose Probestunden zu geben, da der Missbrauch einfach zu hoch war.
(übliche Antwort: „Die Stunde hat mir gefallen. Ich habe jetzt noch sechs andere Probestunden mit Lehrern in ganz Berlin vereinbart und melde mich anschließend eventuell.“) Viele erschienen auch einfach gar nicht zur Probestunde. Ich habe mich mit Kollegen ausgetauscht, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und wir bieten die Probestunde nun zum halben Preis an. Seitdem hat sich die Zahl der Verträge nach der Probestunde erheblich verbessert. Dass Leute gar nicht erscheinen, kommt praktisch nicht mehr vor.
Vielleicht ist die Situation in Berlin aufgrund des hohen Angebots auch besonders schlimm und mit dem restlichen Bundesgebiet nicht vergleichbar.
Trotzdem finde ich es schade, dass hier die Idee der kostenlosen Probestunde vertreten wird. Ich denke, es wäre für alle besser, wenn niemand mehr kostenlose Probestunden anbieten würde, und damit auch nicht die anderen Lehrer unter Druck setzen würde, das Gleiche zu tun.
An den staatlichen Musikschulen gibt es das nicht, und auch Lehrer anderer Instrumente wie z.B. Gesang kennen das nicht.
Das Ganze steht auch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Problem, dass von Musikern erwartet wird, umsonst zu arbeiten – weil es viele tun.
Gleichzeitig denken viele Leute, was nichts kostet, ist auch nichts wert und zeigen dies auch in ihren Taten.
Viele Grüße,
Julian Datta
bernd says
Hallo Julian,
ich kann Deine Einstellung hierzu völlig verstehen. Eigentlich bin ich völlig Deiner Ansicht! Diesen Mißbrauch, den Du beschreibst, hatte ich auch schon. Auf dem Land kam das sehr selten vor, hier in Frankfurt leider schon sehr viel häufiger – vor allem bei Anfragen über ebay Kleinanzeigen. Ich habe daraufhin die Kleinanzeigen abgestellt, und seitdem hatte ich nur noch einen einzigen Fall.
Ich würde mich freuen, wenn hier noch mehr Lehrer Ihre Meinung schreiben würden – ich habe mit dem kostenlosen Probestunden bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht – gerade weil ich bei der Unterrichtsgebühr eher am oberen Limit bin, gibt es den Leuten die Gelegenheit, sich ein Bild zu machen und zu sehen, warum es „so viel kostet“. Das Modell, die Probstunde zu einem fairen Kurs anzubieten ist sehr interessant. Ich werde das ausprobieren und diesen Artikel updaten.
Vielen Dank für Deinen Input – Ich werde das weiter verfolgen und hier veröffentlichen!
Dominik says
Moin Bernd,
ich sehe es ein wenig differenzierter (da ich ja auch schon bei Dir Unterricht hatte, kann ich das denke ich mal ganz gut beurteilen): Wenn Du Deine (Dienst-)Leistung auf einem Markt mit überschaubar wenigen Anbietern teilst, dann ist die Chance, Schüler über die kostenlose Probestunde zu gewinnen, relativ hoch. Anders gesagt: Im Umkreis von Kirn, wo Du angefangen hast zu unterrichten, da warst Du eben „Der Kiltz“ 😉 entweder man entschied sich für Dich als Lehrer oder lässt es bleiben, die Chemie musste halt stimmen, fachlich konnte es eh keiner besser (!). Nun ist es in Frankfurt nunmal so, dass aufgrund der viel höheren Einwohnerdichte (das gesamte Einzugsgebiet inkl. Darmstadt, Mainz und Wiesbaden beläuft sich ja locker auf 2-3 Millionen Menschen) Du einer von mehreren bist, d.h. es gibt eine viel größere Zahl an potentiellen Schülern, aber eben auch deutlich mehr gute Konkurrenz. Ich vermute, das Problem des „Probestundenschnorrens“, wie Du es nennst, ist überhaupt keins. Mir wären ja die, die erst gar nicht zum einberaumten Termin erscheinen, die zweitliebsten – machen ja zumindest keine Arbeit 😉
Also was tun? Differenzierung durch SWOT-Analyse, hast Du bereits getan und Dich auf das „Hochpreissegment“ eingeschossen – kann in Frankfurt funktionieren, und hilft Dir mit relativ wenigen Schülern auf den Planbudget zu kommen – halte ich für eine Möglichkeit, außerdem Fernunterricht, Einbezug von neuen Medien usw. – machst Du ja alles schon seit Jahren erfolgreich. Bleibt halt noch die Spezialisierung (z.B. ganzheitliches Coaching) als mögliche Differnzierungsform.
Finde die Seite übrigens sehr interessant, wobei ich aus meiner Vertriebserfahrung heraus den ein oder anderen Gedanken (s.o.) anders beleuchten würde 😉
Lieben Gruß
Dominik
bernd says
Hallo Dominik! Schön von Dir zu hören 🙂
Das mit dem „Probestunden schnorren“ habe ich – leider – wirklich erlebt und einige Kollegen auf premiumgitarrenlehrer.de, vor allem aus Berlin, können das Phänomen bestätigen. Das es natürlich auch sein kann, dass sich jemand einfach für einen anderen Lehrer entschieden hat – na klar! Niemand ist für jeden der beste Lehrer, man muss zueinander passen.
Vielen Dank für Deinen Input und Dein Lob – was die kostenlose Probestunde angeht finde ich, dass es egal ist in welchem Bereich. Eine Dienstleistung sollte etwas kosten. Schließlich bekommt jeder Probeschüler, egal ob die Chemie stimmt, von mir wertvolle Infos und immer auch einige Unterlagen aus meinem reichhaltigen Material, die er nutzen kann.
Falls Du noch ein paar Verbesserungsvorschläge für die Seite hast, kannst Du mir gerne eine PM schreiben, ich freu mich 🙂 LG
Sebastian Molnar says
Hallo Bernd,
habe selber noch nie eine kostenlose Probestunde gegeben,
und von meinen Schülern hatte auch keiner diese Erwartungshaltung.
Die die von der Probestunde begeistert sind zahlen diese auch gerne,
und Schüler die es ernst meinen kommen zur Probestunde weil sie
neugierig sind und mich kennenlernen wollen, nicht weil die Stunde
kostenlos ist (das sind dann wirklich Probestundenschnorrer).
Denis says
Hi Bernd,
Das finde ich einen sehr interessanten Punkt. Ich bin momentan stark am hadern, ob ich meine Probestunden kostenpflichtig machen soll. Momentan sind sie noch gratis.
Von vielen Probestundenschnorrern kann ich nicht berichten.
Wohl habe ich aber den Eindruck, dass die Preise gezahlt werden, fast unabhängig von der Höhe. Meine regulären Preise habe ich im Laufe der Zeit ein ganzes Stück angehoben und es ist mir tatsächlich niemand abgesprungen.
Wieso sollte dann also eine kostenlose Probestunde abschrecken? Ich hatte sogar schon Leute da, die davon echt verblüfft waren, dass die erste Stunde kostenlos ist.
Einer hat sogar darauf bestanden sie zu zahlen.
Was ist also dein Rat? Voller Preiß? Die Hälfte? Verrechnen?
Danke für deine Tipps und schöne Grüße,
Denis
P.S.: Ich glaube ich habe mit einem Kumpel/Kolegen von dir studiert. Sagt dir Sascha leicht was?
bernd says
Ich mach das so: 45min Probestunde kosten 30 Euro (normal etwas mehr als 45 Euro) – das wurde bis jetzt gut angenommen. Ich nehme allerdings auch die Probestunde sehr ernst und jeder Schüler bekommt auf jeden Fall was zum Mitnehmen. Ich sehe mittlerweile einfach nicht mehr ein, die Stunde umsonst zu machen – schließlich liefere ich einen guten Gegenwert. Und ich finde auch, dass man einfach diese „Musik-kostet-nichts“ Mentalität einfach auf den Köpfen rausbekommen muss.
Finde es aber sehr interessant zu hören, dass Deine neuen Preise gut angenommen wurden. Ich merke immer mehr an dem was ich geschrieben bekomme und aus meiner eigenen Erfahrung, dass guter Unterricht den Leuten sehr wohl etwas wert ist. Es gibt einfach nur sehr viele Lehrer, die sich völlig unter wert verkaufen.